Der Gründer von Airbnb, Brian Chesky, erzählt die Geschichte immer wieder gerne. Wie er nach seinem College-Abschluss in seinem WG-Zimmer in San Francisco saß, gleichzeitig in der Stadt alle Hotelzimmer ausgebucht waren und ihm dann eine geradezu geniale Idee einfiel. Was wäre es, wenn er sein Zimmer untervermieten würde? So der Gründungsmythos von Airbnb, der seitdem in unzähligen Varianten publiziert wird und die die Silicon Valley-Jünger wie ein quasi religiöses Erweckungserlebnis weiter kolportieren.

Wahrscheinlich liegt es an altersbedingter Amnesie, aber ich glaube mich ganz fest daran zu erinnern, Mitte der 80er Jahre in Berlin eine Woche lang eine Wohnung bewohnt zu haben, die mir durch die örtliche „Mitwohnzentrale“ vermittelt wurde. Die Autofahrt von Bonn nach Berlin war äußerst preiswert, da das Benzingeld größtenteils von meinen beiden Mitfahrern, vermittelt durch eine sogenannte „Mitfahrzentrale“, beglichen wurde. Bei letzterem täusche ich mich wohl wieder, war doch Travis Kalanick, der Gründer von Uber, derjenige, der sozusagen das „Mitfahren“ erfunden hat.

Wahrheit oder Mythos, wen interessiert das heute noch? Viel gravierender sind die gesellschaftlichen Auswirkungen, die Plattformen wie Airbnb, Wimdu usw. hervorbringen und die mittlerweile in Städten wie Barcelona, Amsterdam oder Berlin tagtäglich zu spüren sind. Zehntausende Wohnungen und Zimmer werden zu einem Vielfachen der normalen, per se schon hohen Mietpreise, an Touristen vermietet. Die Folgen der Gentrifizierung sind zu genüge beschrieben worden, es gibt jedoch noch einen weiteren Effekt, der eine Betrachtung lohnt. Legen die Behörden bei der Vermietung von Privatwohnungen die identischen Standards an, wie sie bei Langzeitvermietungen und insbesondere bei Hotelbetreibern die Regel sind? Schaut man sich die Liste der behördlichen Auflagen und Reglementierungen für eine Pension oder ein Hotel an, reibt man sich verwundert die Augen. Dieter Schmitz, Betreiber des Bonner Hotels „Esplanade“ zählt auf: „regelmäßige Brandschutzkontrollen, Lebensmittelkontrollen des Gesundheitsamts, Hygiene-Kontrollen, Kontrollen der elektrischen Anlagen, Pflichtmitgliedschaft in der IHK, Berufsgenossenschaft, GEMA, Gewerbesteuer, Mehrwertsteuer, Einkommenssteuer usw. usw. Ein weiterer wesentlicher Punkt sind die Marketingkosten. Zahlt ein Hotelbetreiber auf Portalen wie Booking.com, HRS oder Expedia bis zu 15 % des Zimmerpreises, so zahlen private Vermieter bei Airbnb in der Regel 3 %. Das darüberhinaus tausende Ausbildungsplätze im Hotelgewerbe geschaffen werden, gehört ebenso zur Wahrheit.

Keine der behördlichen Auflagen, die für gewerbliche Betreiber gelten, bekommt der „Gastgeber“ einer Airbnb-Unterkunft zu spüren, weil sie schlicht nicht durchgesetzt werden wollen oder können. Einzig der Markt, nicht Behörden entscheiden, ob eine Unterkunft akzeptabel ist oder nicht. Das geschieht mittels Bewertungen, die Gäste über die Unterkunft ihrer Gastgeber abgeben. Beim Lesen überkommt einen das Gefühl, in einer Parallelwelt zu leben, schreiben doch alle Gäste und Gastgeber nur Lobeshymnen auf ihre jeweiligen Gegenüber. Alles ist herzlich, cosy, nice und beautiful, weit und breit kein Schimmel im Bad, Stockflecken im Bettzeug oder Haare im Abfluss. In dieser beängstigend heilen Welt, in der sich nette Menschen altruistisch helfen und den Sharing Economy-Gedanken in Ehren halten, scheint das schnöde Geld keine Rolle zu spielen. Zumindest nicht der Teil, der gemeinhin Steuern genannt wird. Bei Airbnb tauchen tausende „Superhosts“ auf, das sind richtig tolle Menschen mit ganz vielen tollen Bewertungen ihrer Gäste. Und da kommen dann auch mal sechzig, achtzig oder hundert (und nicht jeder Gast bewertet) in zwei Jahren zusammen. Es ist leicht hochzurechnen, welche Umsätze bei solchen Gästezahlen generiert werden. Das Thema „Steuern“ scheint bei den Anhängern der Sharing Economy äußerst unbeliebt zu sein. Gewerbesteuer zahlt, wer ein Gewerbe angemeldet hat, was ein privater Vermieter nur in den seltensten Fällen tut, da er ja ein privater Vermieter ist. Viele Städte erheben darüber hinaus eine kommunale Abgabe, die sich im verträumten Bonn „Beherbergungssteuer“ im coolen Berlin „city tax“ nennt. In Bonn müssen Privatreisende 5 % des Übernachtungspreises an die Stadt abführen, diese wird vom Hotel- oder Pensionsbetreiber mit der Rechnung erhoben. Und der Privatvermieter? Er bekommt auf der Hilfeseite von Airbnb hierzu folgenden Ratschlag: „Die Belegungssteuer wird normalerweise vom Gast gezahlt, aber die Verpflichtung, die Steuern an die Regierung weiterzugeben, liegt üblicherweise beim Gastgeber. Wir erwarten von allen Gastgebern, sich mit ihren Gesetzen und Regelungen vor Ort vertraut zu machen und sich an sie zu halten“. Mit dieser Formulierung hat sich der Plattformbetreiber elegant aus der Affäre gezogen, der schwarze Peter bleibt so beim Privatvermieter.

Name und Anschrift der Vermieter werden naturgemäß nicht veröffentlicht, so ist es für den Fiskus nicht nachzuvollziehen, wer, wie häufig und mit welchem Umsatz Wohnraum vermietet. Das Bundesfinanzministerium hat daher im Mai letzten Jahres eine offizielle Gruppenanfrage an die irischen Steuerbehörden gestellt, die wiederum nach EU-Recht verpflichtet sind, die Vermieter-Daten in der Dubliner Europazentrale von Airbnb abzufragen. Mit Ergebnissen wird wohl in Bälde gerechnet werden können, d.h., viele Vermieter werden unerfreuliche Post Ihres Finanzamts bekommen.

Der Student, der sein Zimmer mal in den Semesterferien für ein paar hundert Euro vermietet hat, wird in der Regel nichts zu befürchten haben, aber der Personenkreis, der aus der Airbnb-Vermietung ein steuerfreies Geschäftsmodell entwickelt hat, auf den werden erhebliche Sanktionen zukommen und dies ist auch gerechtfertigt. Stellt sich abschließend nur noch die Frage, warum der Feuereifer der Finanzbehörden und politisch Verantwortlichen dann erlahmt, wenn es um die Steuervermeidungsstrategien von Airbnb, Apple, Facebook u.a. geht. Aber das steht auf einem anderen Blatt.