Schaue ich morgens aus meinem Küchenfenster, so sehe ich die Fenster der gegenüberliegenden Wohnung. Zu erkennen sind innenliegende Eisschichten und extrem feuchte, nein, nasse Fenster. Die Bewohner sind nicht willens oder in der Lage, zumindest die Scheiben von innen zu trocknen, geheizt wird augenscheinlich gar nicht. Wenn die ersten Stock- oder Schimmelflecken zu sehen sein werden, erhält der Vermieter dann ein Schreiben, er möge doch bitte den Schaden beseitigen. In Gesprächen mit Hausverwaltern wurde mir berichtet, dass Mitte Dezember bereits dutzende Mails mit Beschwerden über Schimmelbildung eingegangen waren. Das Gros der Wohnungen war in den letzten Jahren nicht von Schimmel betroffen, die Ursache scheint zu sein, dass zu wenig geheizt und/oder gelüftet wurde.

Gute Ratschläge, nicht nur von Ministerpräsidenten

Dabei vergeht kein Tag, ohne dass wohlgemeinte Ratschläge zum Energiesparen über alle Kanäle verbreitet werden. Im Fokus, wegen enorm gestiegener Energiekosten, steht das Heizverhalten. Ausreichend Stoßlüften, viermal am Tag, Temperaturabsenkung auf 19-20 Grad und alles ist paletti, so die allgemeinen Empfehlungen. Dummerweise ist das die Theorie und hat rein gar nichts mit der Realität zu tun. Viele Menschen befürchten Heizkostennachzahlungen, die sie nicht mehr stemmen können, also bleibt ein Teil oder die komplette Wohnung zeitweise oder dauerhaft unbeheizt. Und viermal am Tag für zehn Minuten die Fenster aufreißen ist gut gemeint, orientiert sich aber wohl eher am traditionellen Hausfrauenmodell, denn in vielen Fällen ist tagsüber schlicht niemand zuhause, der lüften könnte. Folge könnte sein, dass sich Schimmel bildet, ein Horrorszenario, sowohl für Mieter als auch für Vermieter.

Die Schimmelfronten

Schimmel in der Mietwohnung beschäftigt schon seit Jahrzehnten die Interessenvertretungen von Mietern und Vermietern und letztlich die Gerichte. Unzählige Urteile sind hierzu gefällt worden, gemeinschaftlicher Tenor ist: liegt die Ursache an den baulichen Gegebenheiten, hat der Eigentümer die Pflicht zur Abhilfe und eine Mietminderung ist möglich. Ist das Verhalten der Mieter ursächlich, obliegt ihnen die Beseitigung und es besteht kein Anspruch auf Mietminderung. Aber wie immer geht es um die Details.

Bauliche Mängel oder mangelnde Sorgfalt

Von Schimmel betroffen sind zumeist ältere Gebäude mit unzureichender Wärmedämmung, Wärmebrücken beispielsweise durch unzureichend verglaste Fenster, mangelnde Abdichtung gegenüber dem Erdreich, Fassadenschäden, Wasserschäden etc. Auch Neubauten, die nicht lange genug getrocknet wurden, können betroffen sein (Neubaufeuchte). Um die tatsächlichen Ursachen zu identifizieren, bedarf es zumeist eines Gutachters. Ebenso lag es aber auch in der Vergangenheit am Verhalten der Mieter. Ausreichend Heizen und Lüften sind eben elementar, um Schäden zu vermeiden.

Helfen Heizkostenzuschüsse?

Die teilweise schon ausgezahlten Zuschüsse werden nicht ausreichen, um die rasant gestiegenen Heizkosten für Mieter aufzufangen. Niedrige und mittlere Einkommensschichten werden nicht in der Lage sein, die drohenden Nachzahlungen zu bewältigen, ergo wird weniger geheizt und damit die Gefahren von Gebäudeschäden massiv erhöht. Was werden die Konsequenzen aus diesem Teufelskreis sein?

Wer zahlt am Ende?

Zu befürchten ist, dass letztlich die Vermieter alleine für die finanziellen Folgen der Gebäudeschäden aufkommen werden müssen. Die aktuelle Koalition wird es sich politisch nicht leisten können, die Mieter in die Pflicht zu nehmen, sollten sie auch die Schäden durch ihr eigenes Verhalten verursacht haben. Ca. 37 Millionen Mietern stehen etwa 4 Millionen Privatvermietern gegenüber, hier bedarf es keiner großen Fantasie, welche Wählerschichten da bevorzugt werden. Spannend wird sein, wie dies juristisch bewerkstelligt werden wird. Vielleicht konstruiert man eine Art Mieter-Notwehr-Paragraph, ob dieser dann von den Gerichten irgendwann bestätigt oder verworfen wird, steht auf einem anderen Blatt.

B. Viebach