Nachdem wir in unserem letzten Newsletter im September vor der Bundestagswahl darüber spekuliert hatten, welche bau- und wohnungspolitischen Ambitionen von den Parteien bzw. den denkbaren Koalitionen umgesetzt würden, so wissen wir nun ein wenig mehr. Aber wirklich nur ein wenig, wobei der Fairness halber gesagt werden muss, dass Koalitionsverträge per se eher nebulös ausgestaltet sind, an den Details wird naturgemäß noch gefeilt. Aber immerhin: wir haben ein neues Ministerium, das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB), welches von Klara Geywitz (SPD) geführt wird. Die Diplom-Politologin, Ex-Generalsekretärin und Landtagsabgeordnete in Brandenburg verlor zusammen mit Olaf Scholz gegen das Duo Eskens/Borjans die Wahlen um den Bundesvorsitz der SPD im Jahr 2019. Geywitz, die sich selbst als Fachfrau für Arbeitnehmerrechte und Weiterbildung sieht, wird allgemein geschätzt. Ob sie etwas von Bauen versteht, ist nicht bekannt. Immerhin sind sich Mieterbund und auch Haus & Grund einig, dass es solch ein eigenes Ministerium braucht, war es doch seit 1998 im Innenministerium integriert und führte dort ein Schattendasein. Die Maxime des neuen Ministeriums findet sich in den einleitenden Sätzen des Koalitionsvertrags zum Thema „Bauen und Wohnen“:

Eine pathetische Einleitung und die Realität

„Wohnen ist ein Grundbedürfnis und so vielfältig wie die Menschen. Wir werden das Bauen und Wohnen der Zukunft bezahlbar, klimaneutral, nachhaltig, barrierearm, innovativ und mit lebendigen öffentlichen Räumen gestalten. Dabei haben wir die Vielfalt der Rahmenbedingungen und Wohnformen und individuellen Bedürfnisse der Menschen im ländlichen und urbanen Räumen im Blick“

Ich stelle mir vor, wie diese leicht pathetische Absichtserklärung auf dem Eingangsportal des neuen BMWSB auf einer Marmorplatte angebracht wird. Aber irgendwie holt mich dann die Realität ein. Wie wird der Sachbearbeiter im Bauamt reagieren, wenn ich ihn bitte, meinen Bauantrag unter dem Aspekt der Vielfalt zu bewilligen? Heißt Vielfalt jetzt, dass die Abstandsgebote bei Neubaumaßnahmen aufgehoben werden, dass die z.Z. geltenden 3.400 Normen für einen Neubau zumindest teilweise außer Kraft gesetzt und die 16 unterschiedlichen Bau-Verordnungen der Länder vereinheitlicht werden?

Ich befürchte leider, dass die hehren Vorsätze an der Realität scheitern. Und somit sehe ich auch ein weiteres Ziel der Koalition skeptisch – den Bau von 400.000 neuen Wohnungen jährlich und davon 100.000 öffentlich gefördert. Neben der schleppenden Planungs- und Genehmigungsbürokratie wird auch der herrschende Material- und Facharbeitermangel sich nicht in Luft auflösen.

Finanzierung unklar

Der Klimaschutz im Gebäudebereich ist ein zentraler Punkt im Koalitionsvertrag. Solarzellen auf Dächern sollen bei gewerblichen Gebäuden verpflichtend, bei privaten Neubauten zur Regel werden, das GEG soll geändert und neu eingebaute Heizungen auf Basis von 65% erneuerbarer Energien betrieben werden müssen. Das klingt zunächst vernünftig, die Umsetzung wird sich jedoch kompliziert und teuer gestalten und letztlich aus Steuermitteln finanziert werden. Staatssubventionen sind das Allheilmittel für alle Maßnahmen, auf die sich die Ampel geeinigt hat. Seriöse Gegenfinanzierungsmodelle fehlen. Ein Beispiel: Der Immobilienkauf soll erleichtert werden, indem die Bundesländer mehr „Flexibilität“ bei der Grunderwerbsteuer erhalten, hierzu sollen Freibeträge gewährt werden. Das klingt zunächst vernünftig und fair. Da diese Einnahmen jedoch den Bundesländern zugutekommen und diese garantiert nicht auf Einnahmen verzichten werden, die im Mittel ca. 5% des Länderhaushalts ausmachen, muss der Bund quersubventionieren. Aber es findet sich eine Lösung: „Zur Gegenfinanzierung will die Ampel die Möglichkeit für Konzerne, mittels sogenannter Share Deals Grunderwerbssteuer zu sparen, beenden“. Jetzt kann man sagen, dass dies eine vernünftige Gegenfinanzierung ist, denn dass Immobilienkonzerne mittels legaler Firmengeflechte Steuern sparen, ist zweifelsfrei eine Frage der Steuergerechtigkeit. Dummerweise stimmt die Gegenfinanzierung jedoch vorne und hinten nicht. Unser Vorzeige-Bundesland Berlin beispielsweise nahm 2019 satte 1,46 Milliarden an Grunderwerbsteuer ein, die entgangenen Einnahmen durch Share Delas betrugen dagegen mal maue 100 Millionen. Diese angebliche Gegenfinanzierung ist nichts als Populismus nach dem Motto, den Reichen nehmen und den Armen geben, das kommt gut an.

Für Vermieter hätte es schlimmer kommen können

Neben der Finanzierung aller Vorhaben durch Bundesmittel, sprich durch Steuerzahler, sieht das Koalitionspapier eine zweite, indirekte Finanzierungsquelle vor: die Vermieter eignen sich besonders, die beschworene Vielfalt mitzutragen. (bitte wundern Sie sich nicht, dass ich jetzt nur von Vermietern spreche, denn nur so werden sie im Papier bezeichnet. Im Gegensatz zu den häufig verwendeten „Mieterinnen und Mietern“ existieren im Koalitionspapier keine Vermieterinnen)

Immerhin scheint die FDP in manchen Punkten die Belastung von Vermietern etwas abgeschwächt zu haben, aber es bleibt noch genug übrig, um sich zu ärgern. Also werden die Mieterschutzregelungen verlängert, die Kappungsgrenzen werden von 15 auf 11% in drei Jahren gesenkt, die Mietpreisbremse bis zum Jahre 2029 verlängert (obgleich bis dahin ja 3.2 Millionen Wohnungen zusätzlich gebaut sind), ein verpflichtender, qualifizierter Mietspiegel für Städte über 100.000 Einwohnern und Einwohnerinnen eingeführt. Ein Trost – zumindest vorläufig – ab dem 01. Juni 2022 sollen die erhöhten Kosten durch den CO2-Preis von Vermietern und Mieterinnen und Mietern hälftig geteilt werden, falls nicht vorher etwas anderes beschlossen wurde.

Wir dürfen gespannt sein, wie die vagen und nebulösen Aussagen zu wohnungspolitischen Fragen tatsächlich umgesetzt werden, vielleicht wissen wir ja in einem halben Jahr mehr.

Bernd Viebach